Paech-Brot GmbH – Wendeln – Kamps AG in Meddewade
Die Firmengeschichte der Paech-Brot GmbH begann im Jahr 1927, als Waldemar Paech, der Vater von Eberhard und Dietrich Paech in Berlin Moabit als Bäckermeister eine in Konkurs gegangene Reformbäckerei übernahm. Im Laufe der nächsten Jahre erweiterte er das Brotangebot und hatte damit Erfolg. Mit dem 2. Weltkrieg kam das vorläufige Ende der Reformbäckerei. Bombenangriffe, Kämpfe und der Beschuss von Berlin legten das Werk in Trümmer.
Doch nach Deutschlands Kapitulation 1945 wurde in Moabit unverdrossen ein Neuanfang begonnen. Neben dem Reformbrot mussten nun auch allgemeine Sorten, in erster Linie jedoch Brote nach Berliner und Schlesischer Art, gebacken werden.
1949 kam es zur Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und 1951 trat Erich Dahm in den Betrieb als Gesellschafter ein. Dietrich Paech ging nach Toronto. 1978 waren Klaus Dahm, Josef Wiedeck und Bernd Paech Gesellschafter.
1959 wurde die Firma Gollin übernommen. 1971 konnte man die Gewe-Bäckerei in Berlin Tempelhof eingliedern, so dass dann in Berlin etwa 550 Beschäftigte monatlich 1000 t Mehl verarbeiteten.
Der Aufbau einer Nordgruppe des Paech-Brot Unternehmens begann in Meddewade im Herbst 1954 mit Josef Wiedeck an der Spitze. Man hatte dort die leer stehende ehemalige Meierei erworben.
Allerdings musste 1959 die Produktion bereits wieder unterbrochen werden, da ein Schadensfeuer den gesamten Betrieb zerstörte, so dass der unterversicherte Betrieb nur mit großen Schwierigkeiten überhaupt weiterarbeiten konnte. Aber es gab einen neuen Aufschwung in den 1960er Jahren.
Die Brotfabrik um 1960
„Kuno sprach zu Kunigunde: Paechbrot ist in aller Munde. Doch ist’s nicht fein, das gilt für jeden, mit Brot von Paech im Mund zu reden.“ Oder „Ganz furchtbar schimpft der Opapa, die Oma hat kein Paechbrot da...“ Diese und weitere Werbesprüche konnte man z. B. in öffentlichen Verkehrsmitteln lesen.
1970 wurde das Steinburger Brotwerk in Itzehoe übernommen, 1972 die Firma Friesenbrot aus Seth im Kreis Segeberg, 1978 die Firma Flügge-Brot aus Kiel. Zusammen verarbeiteten nun 620 Mitarbeiter der Nordgruppe rund 1600 t Mehl monatlich. Der Fabrikabgabe-Umsatz betrug rund 70 Millionen DM im Norden. Auch im Ausland unterhielt Paech-Brot Filialen. Erich Dahm und Eberhard Paech arbeiteten mit Dietrich Paech in Toronto zusammen und backten in Kanada deutsches Brot.
Bernd Paech tat ein gleiches mit seinem Freund Burre in Johannesburg. Zwei Lizenzbetriebe in Japan und Australien arbeiteten mit „Paech-Brot“ zusammen.
Von Meddewade aus wurden täglich ca. 1800 Kunden mit 90 Tourenfahrzeugen beliefert. Die Kilometerleistung betrug in einer Woche ca. 100 000 km, also praktisch 21/2 mal um die Erde.
Von den 360 Mitarbeitern im Meddewader Betrieb waren 82 Meddewader Bürger. Diese 61 männlichen und 21 weiblichen Betriebsangehörigen, von denen 57 als Voll- und 25 als Teilzeitbeschäftigte arbeiteten, stellten 22,7% der Belegschaft dar.
Die Paech-Brot-Palette war zwar breit gefächert mit mehr als 100 Artikeln, aber sie stützte sich nach wie vor auf die klassischen Säulen der Roggen- und Roggenmischrote, nach Berliner oder Schlesischer Art gebacken. Der Betrieb der Nordgruppe war voll mechanisiert. Der Warenaustausch zwischen den einzelnen Betrieben ermöglichte es die automatischen Maschinen voll auszulasten.
1978 war Paech-Brot in der Lage jede Art von Brot herzustellen und eine breite Palette vom dunkelsten Vollkornbrot bis zum hellsten Toastbrot anzubieten. Dazu kam ein großes Fertigkuchen-Programm. Einen herausragenden Teil bildeten die Steinmetzbrote, für die Paech-Brot im Norden Deutschlands das alleinige Herstellungs- und Vertriebsrecht besaß.
Die erste Backofenstraße
Das Vertriebsgebiet der Gruppe Nord reichte von Uelzen über die Lüneburger Heide bis hinauf nach Stade und Glückstadt; in Schleswig-Holstein bis nach Flensburg, Eckernförde und Kiel. Das Hauptabsatzgebiet lag im Raum Hamburg, Lübeck und Kiel.
Wenn auch 1978 die Paech-Brotfabrik noch expandierte, so sah es 1985 ganz anders aus. Die Marktanteile der Meddewader Brotfabrik nahmen ab, da die Friesen-Brotfabrik zwar übernommen worden war, aber das Brot weiter unter dem Namen Friesen-Brot aus Seth auf den Markt kam. Die beiden Brotfabriken gruben sich gegenseitig das Wasser ab und machten sich das Leben zur Hölle. Plötzlich waren 380 Arbeitsplätze 1985 in Meddewade infrage gestellt. Das Management wurde ausgetauscht. Trotzdem ging die Paech-Brotfabrik 1986 kurzfristig an den Berliner Fabrikanten Horst Schiesser. Aber auch in dessen Brotimperium kriselte es zusehends, so dass „Paech-Brot“ von der niedersächsischen Großbäckerei Wendeln in Garrel „geschluckt“ wurde. Damit schienen die Arbeitsplätze in Meddewade zunächst gesichert zu sein. Allerdings hatte sich die Belegschaft auch schon auf 270 Mitarbeiter verringert und es wurden viele Hamburger Touren zum Wendeln-Betrieb Hamburg Vierlanden verlegt.
Am 1. Januar 2000 erfolgte die Übernahme von Wendeln durch die Düsseldorfer Kamps AG., die damit zum größten Bäckereiunternehmen Europas heranwuchs. Das war noch nicht der letzte Besitzerwechsel. 2002 „schluckte“ Barilla die Kamps AG mit der Aktienmehrheit von zunächst 53.9%, jetzt 96%. Der weltgrößte Nudelhersteller aus Italien lässt zwar die Kamps AG als eigenständiges Unternehmen weiter bestehen, aber als Teil der Barilla-Gruppe.
Der Meddewader Betrieb beliefert Schleswig-Holstein entlang der Ostseeküste, von „halb Hamburg“ bis Fehmarn mit etwa 30 Touren pro Tag. Die Besitzerwechsel sorgten für viel Gesprächsstoff und Unruhe in Meddewade und bei den 220 Mitarbeitern, von denen nur noch neun aus Meddewade, die übrigen aus der nächsten Umgebung im Dreieck Reinfeld – Oldesloe – Siebenbäumen kommen.
Der Betriebshof in den 60-er Jahrern
Noch läuft die Produktion in Meddewade mit etwa 40 Produkten im Frischeverkauf: halbgebackene Ware, vom Weizen- bis Schwarzbrot, dazu „Golden Toast“ und „Peter und Paul“, wie kaufmännischer Leiter Carsten Kelbch und Niederlassungsleiter Klaus Oesau berichten. Oesau arbeitete seit 1964 bei Friesenbrot in Seth und kam1982 nach Meddewade in die Paech-Brotfabrik. Jeder Rohstoff wird separat zubereitet, ob es sich um Kürbiskerne, Sonnen- blumenkerne oder andere Zusätze handelt, und dann im Produkt verarbeitet. Dafür sorgt eine Mannschaft von erfahrenen Bäckern, unterstützt von angelernten Kräften, die meistens aus anderen Berufen kommen und auch im Vertrieb tätig sind.
Ende 1998 waren (von Wendeln eingeleitet) sogar Verwaltung, Personalabrechung und Controlling nach Meddewade verlagert worden.
Aber die lokalen Zeitungen berichteten 2003 von einer Schließung des Werkes in Meddewade und einem Neubau an anderer Stelle im Kreis Stormarn und schreckten Belegschaft und Ortspolitiker auf. Die 50jährige Nutzungsdauer ist den Gebäuden anzusehen. Außerdem liegt die Kamps AG in einem reinen Wohngebiet und die Geräuschemission könnte Anlass zu einer Klage aus der Nachbarschaft des Werkes werden. Aus dieser Sicht ist die Verlagerung des Werkes an einen anderen Standort zu verstehen.
Nach der neuesten Pressemitteilung im Mai 2004 wird ein neuer Betrieb in Lüdersdorf (an der A 20 in Mecklenburg)gebaut. 2006 soll der neue Betrieb seine Arbeit aufnehmen. Was aber wird dann mit der leer stehenden Bauruine auf einem Areal von 55000 qm mitten im Dorf in Meddewade geschehen?
Artikel aus: Meddewade -Chronik eines Dorfes im Kreis Stormarn-
von Doris und Eckhardt Moßner und Hans-Werner Hillers 2004.
2008 wird die Brotfabrik abgerissen und es entstand ein Wohngebiet mit 58 Wohneinheiten.
Hans-Werner Hillers,
Dorfchronist im April 2020